Mitte August 2023 habe ich Pflegegrad 1 bekommen. Nach meinem Widerspruch dann rückwirkend Pflegegrad 2. Meinen Bescheid habe ich nun Ende November 2023 erhalten. Da ich Pflegegeld beantragt habe und erhalte, muss ich nun eine Pflegeberatung in Anspruch nehmen und das der Pflegekasse nachweisen. Wie und bis wann muss ich genau einen solchen Nachweis erbringen? Noch in diesem Jahr? Ich habe Angst, die Frist zu versäumen und das Pflegegeld zu verlieren.
Martin T. aus Moers
Darum geht's
Pflegebedürftige, die einen anerkannten Pflegegrad haben und ausschließlich Pflegegeld beziehen, müssen regelmäßige gesetzlich vorgeschriebene Beratungsbesuche wahrnehmen. Den entsprechenden Nachweis legen sie der Pflegekasse vor. Wenn diese Besuche nicht erfolgen, droht eine Kürzung oder sogar Streichung des Pflegegeldes.
Oft herrscht Unsicherheit, ab wann die Fristen gelten und bis zu welchem Zeitpunkt. Und wer genau den Nachweis der Pflegekasse vorlegen muss (Pflegeberater:in oder Pflegegeldempfänger:in).
Rechtliche Grundagen
Pflegegeld ist eine Leistung der Pflegeversicherung und kann ab Pflegegrad 2 beantragt werden (§ 28, § 37 SGB XI). Wird allein das Pflegegeld für die Sicherstellung der häuslichen Versorgung genutzt, haben Pflegegeldempfänger verpflichtende Beratungsbesuche gemäß § 37 Absatz 3 Satz 1 SGB XI wahrzunehmen und der Pflegekasse in regelmäßigen Abständen nachzuweisen. Kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach, hat die Pflegekasse das Recht, das Pflegegeld zu kürzen und im Weiteren zu streichen (§ 37.6 SGB XI).
Info: Man unterscheidet zwei Arten der Pflegeberatung:
- Eine Pflegeberatung nach § 7a dient der Organisation der Pflege. Hier erhalten Ratsuchende eine individuelle Beratung und Informationen zu Unterstützungsmöglichkeiten. Die Beratung findet meist in einer Pflegeberatungsstelle statt.
- Der Beratungseinsatz nach § 37.3 dient der Qualitätssicherung der häuslichen Pflege. Sie ist verpflichtend für Pflegegeldbezieher der Pflegegrade 2-5.
Grundsätzlich hat jede:r Pflegeversicherte, der Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nimmt, Anspruch auf eine Pflegeberatung nach § 7a . Der Anspruch besteht ab Pflegegrad 1 und ist unabhängig von den bezogenen Leistungen.
! Hinweis: Im Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis einschließlich 30. Juni 2024 kann jede zweite Beratung nach § 37.3 auch als Videokonferenz durchgeführt werden, wenn Sie das wünschen. Der erste Beratungsbesuch wird weiterhin ausschließlich in der eigenen Häuslichkeit durchgeführt.
Das sagt der Pflegewegweiser NRW
Die Fristen, bis wann ein Beratungsbesuch für Pflegegeldempfänger:innen durchgeführt und der Pflegekasse nachgewiesen werden muss, sind als Zeitfenster zu verstehen. Innerhalb dieser haben Sie Zeit, eine Beratung in Anspruch zu nehmen, spätestens jedoch bis zum Ende des Kalenderhalb- bzw. Vierteljahres. Konkret heißt das im Regelfall:
- Pflegegrad 2 und 3:
ein Beratungsbesuch pro Halbjahr
bis zum 30.06. und 31.12. eines Jahres
- Pflegegrad 4 und 5
ein Beratungsbesuch pro Vierteljahr
bis zum 31.03, 30.06, 30.09 und 31.12 eines Jahres.
Einen Beratungseinsatzes nach § 37.3 SGB XI können folgende Anbieter durchführen:
- zugelassene Pflegedienste
- qualifizierte Pflegeberater:innen
- neutrale und unabhängige Beratungsstellen mit pflegefachlicher Kompetenz
- von der Pflegekasse beauftragte, jedoch von ihr nicht beschäftigte Fachkräfte
Sie können sich frei für einen Anbieter entscheiden und bei Bedarf den Anbieter auch beim nächsten Beratungseinsatz wechseln.
Nutzen Sie für die Suche gerne unsere Pflegedatenbank: Hier finden Sie Pflegeberatungsstellen, die ggf. auch die verpflichtenden Beratungsbesuche durchführen oder Ihnen bei Ihrer Suche nach einer:m Berater:in helfen. Alternativ stellt Ihnen die Pflegekasse Berater:innen zur Verfügung oder schickt Ihnen einen Beratungs-Gutschein.
+Tipp: Eine Pflegeberatung kann von jeder pflegebedürftigen Person ab Pflegegrad 1 in Anspruch genommen werden. Nutzen Sie das Angebot der kostenfreien Pflegeberatungsstellen in Ihrer Nähe!
Expertenmeinung
Monika Kindel, Pflegeberaterin, Verein Alter und Soziales e.V. in Ahlen
Der Zeitraum für die Frist beginnt in der Regel mit dem Ablauf des Kalenderhalb- bzw. Vierteljahres, in welchem Sie den Pflegegrad erhalten haben. Bedeutet in unserem Fallbeispiel oben, dass die Frist für den Nachweis eines verpflichtenden Beratungsbesuchs ab Januar des neuen Jahres beginnt. Somit ist der Beratungsbesuch der Pflegekasse bis Ende Juni des Folgejahres nachzuweisen.
! Wichtig: Beachten Sie die Hinweise in Ihrem Bescheid. Bei Privatversicherten kommt es auch vor, dass die Frist für den Nachweis eines Beratungsbesuch ab dem Tag der Begutachtung beginnt.
Üblicherweise werden die Ergebnisse des Gesprächs in einem Formular festgehalten und vom Berater an die Pflegekasse übermittelt. Auf Wunsch können Sie das auch selbst machen. Als Privatversicherte:r kann der Nachweis z.B. zusammen mit einer Kostenabrechnung bei der zuständigen Kasse eingereicht werden.
In welchem Abstand die Beratungseinsätze erfolgen ist individuell planbar. Wichtig ist nur, dass diese innerhalb des Zeitraums von einem Kalenderhalb- bzw. Vierteljahr erfolgen.
Wenn die Frist nicht eingehalten wird: Es passiert, dass aus verschiedenen Gründen eine Frist versäumt wird. Grundsätzlich empfiehlt sich der Kontakt zur Pflegekasse, wenn dieser Fall eingetreten ist oder aufgrund von Verhinderung (Krankenhaus-/Reha-/Kurzzeitpflege-Aufenthalt) abzusehen ist. Haben Sie schon einen neuen Termin? Wenn ja, teilen Sie auch das mit. Das wird in der Regel positiv berücksichtigt.
Wurde die Frist versäumt und Sie erhalten eine erste Mahnung (Erinnerung), wird so schnell kein Pflegegeld gekürzt oder gestrichen. Ohne eine Mahnung und (wenn eine First erneut versäumt wurde) einer nachfolgenden Ankündigung der Kürzung bzw. Streichung des Pflegegeldes, wird das Pflegegeld nicht einbehalten.
Ganz wichtig: Haben Sie keine Angst vor dem Beratungsbesuch!
Der Beratungsbesuch dient in erster Linie Ihnen und auch Ihren Angehörigen. Es wird Ihre Pflege- und Betreuungssituation allgemein eingeschätzt und geschaut, ob Ihre Versorgung und Pflege gesichert ist. Dabei hilft ein fachlicher Blick von außen oft ungemein. Bei Bedarf werden Empfehlungen für Maßnahmen ausgesprochen, die die häusliche Situation verbessern und Ihre Angehörigen entlasten und unterstützen können. Eine Beurteilung erfolgt immer einmal aus pflegefachlicher Sicht: objektiv, ob (schwere) Mängel vorliegen. Und zum anderen an Ihren Bedürfnissen und Wünschen orientiert: Fühlen Sie sich wohl in dem bestehenden Setting und welche Maßnahmen sind für Sie persönlich von Interesse.
Empfehlung: Eine Pflegeberatung dient allen Beteiligten und unterstützt dabei, bestmöglich selbstbestimmt in der eigenen Häuslichkeit bleiben und versorgt werden zu können. Ihr Berater oder Ihre Beraterin begleitet und unterstützt Sie dabei. Darum: Scheuen Sie sich nicht dieses Angebot in Anspruch zu nehmen!